Ich habe mir vorhin eine Theaterkarte für Samstag abgeholt.
Es handelt sich um ein interaktives Theaterstück,
welches durch Gedankenexperimente die üblichen Vorstellungswelten
infrage stellen soll. Vom Eingang des
Theatergebäudes aus habe ich einen Blick auf den blumenbewachsenen
Vorplatz.
Rechts ist der Theaterpark, durch den ich gleich gehen
werde und in dem Leute ihre Füße in den Fluss halten
oder die Mittagspause picknickend auf dem Rasen verbringen.
Wenn ich sage, dass es hier nach Sommer riecht, meine
ich nicht nur den Geruch von Blumen oder frisch gemähtem
Gras. Vielmehr ist es die Luft, deren Temperatur
beim Einatmen so warm ist und einen Vorgeschmack
auf einen so Sommer bietet, der barfußlaufen durch
Pfützen und Weißweinschorle bei Sonnenuntergang verspricht.
Ich habe mir diesen Sommer vollgestopft mit schönen
Terminen, Klausuren, Seminaren, Ausflügen, Festivals,
Konzerten, zelten und Übernachtungen auf dem Balkon,
um mit den Kindern gemeinsam Figuren in den Sternenbildern
zu entdecken.
„Die ungünstigen Prognosefaktoren bei Frau F. weisen
auf eine schnelle Proliferation hin“, heißt es in meinem
Arztbericht.
Wohlwollend betrachtet bedeutet dies übersetzt nur: Sicher
ist, dass nichts sicher ist.
Muss ich dieses Leben denn jetzt nicht schneller leben
als vorher? Intensiver?
Mehr Aktivitäten, Liebe, Spaß und Herzblut in die Zeitspanne
quetschen, die vielleicht kürzer ist, als ich mir das
wünschen würde?
Und warum fühlt es sich dann gleichzeitig wie eine
Schlinge um meinen Hals an, die jemand immer fester
zuzieht?
Die Sanduhr, die ich meinen Kindern manchmal zum
Zähneputzen hinstelle: Los, mach schneller, gleich ist die
Zeit um.
Und dann kommen diese Momente, in denen ich nicht
mehr atmen kann. Und ich nicht weiß, ob mir das Glück,
all dies sehen und erleben zu dürfen den Atem raubt,
oder die Angst, das alles loslassen zu müssen.
Manchmal meine ich, ich müsste wahnsinnig werden. Ich
glaube mein Mann würde an dieser Stelle sagen, „Welch
ein Glück, dass du das vorher schon warst.“