Letztes Jahr, ungefähr zu dieser Zeit, las ich während der
Chemo ein Buch über einen Krebserkrankten. Er durchlief
die üblichen Akutbehandlungen, besuchte eine Reha
und kehrte an seinen Arbeitsplatz zurück.
Er beschrieb Phasen psychischer und körperlicher Stabilität.
Es ging ihm gut.
Dann kamen die Metastasen und er wurde aus seiner
mühsam zurück eroberten Normalität wieder herausgerissen.
Das Buch schrieb seine Frau für ihn zu Ende. Der Mann starb vorher.
Während ich heute Mittag bei Sonnenschein aus dem
Hörsaal hüpfte (also so innerlich und mit den Gedanken
an die bevorstehenden Ostertage) hielt ich einen
Moment inne und dachte mir „Scheiße, ich will diese
Normalität um alles in der Welt behalten!“ und erinnerte
mich an die Schicksale derer, die nach überstandener
Akutbehandlung wieder Vertrauen ins Leben fassten und
bitter enttäuscht wurden.
Aber wäre es nicht absurd, sich aus Angst vor dem, was
eventuell kommen könnte, die Gegenwart beschränken
zu lassen?
Damals, ich war schwanger mit meiner Tochter, fragte
ich eine Freundin, wie sie mit der Angst vor einer möglichen
Fehlgeburt umgehen würde. Was wäre, wenn der
tragische Fall tatsächlich eintreten würde und man sich
dann umsonst gefreut hätte?
„Wie könnte man sich denn
jemals umsonst freuen?“, antwortete mir die Freundin,
„die Freude bereichert doch immer den jeweiligen Moment“.
Ich dachte damals lange über ihre Sätze nach und habe
mich heute wieder an sie erinnert.
Das, was ich heute an Glück empfinde, kann mir doch
durch eine wie auch immer sich gestaltende Zukunft
nicht genommen werden?