Genaugenommen wollte nur einer heute in den Wald: mein 9jähriger Sohn. Nun stehen wir aber zu viert hier, in einem Birken-Fichten-Mischwäldchen in knöcheltiefem Schlamm. Die Jungs entfernen sich langsam, spielen irgendwas mit Dinos und Geheimwegen und so.
Die 10jährige quengelt. „Warum sind wir hier? Warum sind wir nicht zuhause? Und wann fahren wir endlich?“ Und um ehrlich zu sein, spricht sie damit genau meine Gedanken aus, denn so achtsam ich das neue Jahr beginnen wollte, so sehr hat mich der Alltagstrouble längst wieder erfasst und es fällt mir schwer, mich auf so etwas vermeintlich Einfaches einzulassen: Im Wald zu stehen, Luft zu atmen, den täglichen Dopaminrausch aneinanderreihender Termine kurzzeitig zu vergessen und: einfach ZU SEIN.
„Also“, beginne ich laut zu denken. „Versuchen wir doch mal einfach tief einzuatmen. Riechst du die Waldluft? Fühlst du, wie sie sich in deine Lungen ausbreitet?“
Eine hochgezogene Augenbraue meiner Tochter später fahre ich fort:
„Okay, ich habe noch mehr in petto: Lass uns einfach mal an dem Baum da riechen, na los!“
Schon drücken wir unsere Nasen gegen eine Birke.
„Und?“, frage ich meine Tochter. Immerhin lacht sie nun – mich aus, aber immerhin.
Riecht die Fichte hierneben vielleicht anders? Aha! Und die Kiefer da? Wie wäre es – ich mache eine kunstvolle Pause -, wenn wir nun mal an dem Schlamm riechen? Unsere Blicke treffen sich, während wir in unseren Gummistiefeln in einer Pfütze stehen – und immerhin haben wir nun unseren Humor gefunden.
„Sieh mal, diese kleine, aber unglaublich alte Buche dort“, sage ich. Manchmal gibt es diese alten Zwerge im Wald, stolz und verknorpelt, umringt von ihren hochgewachsenen Artgenossen. Wir waten zu ihr hinüber. „Was hat dieser Baum wohl schon alles erlebt?“, fragt meine Tochter, und spätestens jetzt habe ich sie, beziehungsweise der Wald uns.
Fühl das Moos! Und sieh, wie steil der Baum wirkt, wenn ich direkt davor stehe! Schau mal, wie die Baumkronen von hier aus aussehen!
Die Dämmerung ist es, die uns schließlich wieder aus den Wald hinaustreibt.
Auch wenn wir manchmal vergessen, was gut für uns ist, der Wald schafft es jedes Mal, uns daran zu erinnern.