Gemäß einer Schätzung des Robert-Koch-Instituts sind jährlich rund 50.000 Kinder von einer Krebserkrankung eines Elternteils betroffen. Da diese Zahl sich auf Neuerkrankungen bezieht, liegt die genaue Zahl naturgemäß noch höher.
In diesem Artikel habe ich über mögliche Formen der Kommunikation und des Umgangs mit Kindern gesprochen, deren Eltern an Krebs erkrankt sind.
Der nachfolgende Text soll einen kurzen Umriss darüber geben, warum Kinder an krebserkrankter Eltern Unterstützung benötigen und wie die Umsetzung beispielsweise aussehen kann.
Background
Empirische Studien belegen, dass krebserkrankte Eltern oft eine geringere psychische Belastung der Kinder wahrnehmen, als diese selbst angeben. Als Grund hierfür kann angenommen werden, dass die eigene psychische Belastung der Eltern in Phasen akuter Erkrankung die Ansprechbarkeit auf die Gefühle der Kinder erschwert.
Wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt, betrifft dies jedoch unzweifelhaft das gesamte Familiengefüge.
Minderjährige Kinder mit einem krebskranken Elternteil leiden beispielsweise vermehrt unter ängstlich-depressiven Symptomen und haben ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsverzögerungen.
Medizinische Eingriffe, Auseinandersetzung mit einer potenziellen Lebenszeitverkürzung, mitunter gravierende Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes und emotionale Belastungen der erkrankten Person werden von allen Familienangehörigen miterlebt.
Die psychoonkologische Versorgung erkrankter Personen beschränkt sich meist auf diese und schließt nur selten den Partner und/oder die Kinder mit ein. Minderjährige Kinder krebskranker Eltern werden bisher nur unzureichend in die psychosoziale Versorgung mit einbezogen.
In den letzten Jahren entstanden immer mehr Initiativen, die den Blick primär auf die psychosoziale Unterstützung der Kinder richten. Leider gibt es diese Angebote bislang nicht deutschlandweit und es kann nicht von einer bedarfsgerechten und qualitätsgesicherteren Versorgung gesprochen werden, obwohl dies eindeutig indiziert wäre.
Eine Möglichkeit Kinder in dieser schwierigen und aufgrund der Umstände und des jungen Alters prägenden Lebensphase zu unterstützen, zeigt das Projekt „Lemon Kids“:
Lemon Kids
In Hannover gibt es das Projekt „Lemon Kids“.
Es handelt sich hierbei um eine von einer Kinder- und Jugendtherapeutin angeleitete Stärkungsgruppe für Kinder, die sich momentan noch in der Projektphase befindet.
Das Projekt kam in Zusammenarbeit mit der Krebsberatungsstelle Hannover zustande und wird derzeit über Spenden finanziert, später soll es in ein kontinuerliches Angebot für Kinder krebserkrankter Eltern übergehen.
Meine beiden großen Kinder (4 und 6 Jahre) hatten die Möglichkeit an der zu Jahresbeginn gestarteten Stärkungsgruppe teilzunehmen, an der insgesamt 8 Kinder im Alter von 4 bis 9 Jahren teilnahmen.
Es fanden insgesamt 10 Treffen Samstagvormittags statt, sowie ein evaluierendes Elterngespräch im Vorfeld.
Während der Treffen hatten die Eltern die Möglichkeit sich gegenseitig auszutauschen, indem sie zusammen spazieren gingen oder es sich in einem Café gemütlich machten.
Innerhalb der Stärkungsgruppe lag der Schwerpunkt auf der spielerischen Verarbeitung der Erkrankung des Elternteils. Es wurden gemeinsam Stärkungstiere gebastelt, Geschichten erzählt, diskutiert, manchmal gegrübelt und noch viel mehr gelacht.
Die Eltern haben sich untereinander in einer Whatsapp-Gruppe vernetzt und es bestand die Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch.
Persönliche Bewertung
Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass es für meine beiden ältesten Kinder ein Projekt gibt, was nicht die erkrankte erwachsene Person in den Vordergrund stellt, sondern es zum Ziel hat, das Augenmerk auf die Bedürfnisse der Kinder zu legen.
Das Zusammentreffen mit anderen Kinder, die ebenfalls einen erkrankten Elternteil haben, ist meines Erachtens dazu geeignet, den Kindern aufzuzeigen, dass sie sich mit ihren Problemen und Lebensumständen nicht in einer Außenseiterposition befinden, sondern dass auch andere Kinder von ähnlicher Thematik betroffen sind.
Kinder können Gefühle kognitiv noch nicht richtig beurteilen und entwicklungsbedingt sprachlich noch nicht in Worte fassen.
Daher finde ich die Möglichkeit, den Emotionen über spielerische Anleitungen Ausdruck zu verleihen, sehr schön. So wurden beispielsweise Stärkungstiere gebastelt und damit die Möglichkeit gegeben, Gefühlen Ausdruck zu verleihen, aber auch Emotionen künftig besser regulieren zu können.
Unsere Kinder nahmen sehr gerne an der Stärkungsgruppe teil und haben von diesem Angebot profitiert.
Quellennachweise:
- Osborn (2007) The psychosocial impact of parental cancer on children and adolescents: A sematic review. Psychooncology 16(2):101-126
- Sieh DS, Meijer AM, Oort FJ et al (2010) Problem behavior in children of chronically ill parents: A meta-analysis. Clin Child Fam Psychol Rev 13(4):384-397
- Watson M, St James-Roberts I, Ashley S et al (2006) Factors associated with emotional and behavioural problems among school age children of breast cancer patients. Br J Cancer 94:43-50
- Niemelä M, Hakko H, Räsänen S (2010) A systematic review of the studies on structured child-centered interventions for families with a parent with cancer. Psychooncology 19(5): 451-461