Der nachfolgende Text soll Betroffenen eine Hilfestellung geben, um Tipps und medizinische Informationen aus dem Internet auf Glaubwürdigkeit, Seriösität und Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.
Fast jeder Betroffene kennt die meist gut gemeinten Tipps von Bekannten oder Menschen, die im Internet ihre Meinung äußern oder Behauptungen aufstellen, wenn es um Möglichkeiten geht, den Verlauf einer Krebserkrankung positiv beeinflussen zu können. Auf vielen Internetseiten, in Blogeinträgen oder in den sozialen Medien sind zahlreiche Texte zu finden, die sich mit möglichen Behandlungsmethoden auseinandersetzen.
Es ist sehr verständlich, dass von einer lebensbedrohlichen Erkrankung Betroffene gerne aktiv etwas zur eigenen Heilung beitragen wollen und nach ergänzenden Möglichkeiten hierfür Ausschau halten wollen.
Nicht zu unterschätzen ist auch das Ohnmachtsgefühl, welchem viele Betroffene ausgesetzt sind und weswegen sie durch eigenes Dazutun ein Stück ihrer Selbstbestimmtheit zurückgewinnen wollen und das Gefühl anstreben, ihren Krankheitsverlauf positiv beeinflussen zu können.
Wichtig ist jedoch im Auge zu behalten, dass nicht alle Tipps und Empfehlungen, die im Internet kursieren oder angepriesen werden, seriös sind und solche Ratschläge nicht blind befolgt werden sollten.
Zu beachten ist hierbei auch, dass Wechselwirkungen mit bereits bestehender Medikation nicht immer hinreichend erforscht sind, so dass in Eigenregie angewandte Substanzen ggf. den Erfolg der Schulmedizin mindern können.
Wie ist es also möglich zu erkennen, ob eine Information glaubwürdig ist?
1.
Informationen von seriösen Quellen einholen und fragliche Informationen gegenchecken:
Als seriöse Informationsquelle ist hier insbesondere der Krebsinformationsdienst zu nennen. Es können hier viele Informationen über Krebs allgemein und spezielle Behandlungsverfahren nachgelesen werden.
Der Krebsinformationsdienst hat auch ein Patiententelefon und ist zudem auch per E-Mail für Fragen erreichbar:
„Unser Angebot richtet sich an jeden, der Fragen zu Krebs hat: Patienten, ihre Familien und Freunde, sowie an Menschen, die sich zur Krebsvorbeugung und Krebsfrüherkennung informieren wollen. Auch für alle Fachleute, die an der Versorgung von Krebspatienten beteiligt sind, bietet der Krebsinformationsdienst unabhängig und neutral recherchierte Fakten. Über unser Internetangebot hinaus sind wir auch persönlich für Sie da.“
Quelle: www.krebsinformationsdienst.de/kontakt.php
© 2019 Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum
0800–420 30 40 oder krebsinformationsdienst@dkfz.de
Die Stiftung Perspektiven hat sehr gute Informationen zur Naturheilkunde und Ernährung bei Krebs zusammengestellt:
Medizin-transparent.at: Hier finden sich neben zahlreichen Informationen auch Tipps zur Erkennung von Fake-News.
Hier kann das Leitlinienprogramm Onkologie eingesehen werden.
2.
Behandelnden Arzt fragen, ggf. Zweitmeinung einholen
Ein Facharzt, der sein Wissen über jahrelanges Studium erworben hat, sollte in der Regel den vertrauenswürdigsten Ansprechpartner für den Patienten darstellen. Informationen können mit dem behandelnden Arzt gemeinsam besprochen und abgewogen werden. Natürlich darf der Patient dennoch Äußerungen und Aussagen des Arztes hinterfragen und sich eigene Informationen einholen.
Der Patient hat auch das Recht auf eine ärztliche Zweitmeinung.
Sollte sich in Eigenregie für eine ergänzende Behandlung zur Schulmedizin entschieden werden, so sollte der Arzt hierüber auf jeden Fall informiert werden, da es bei bestimmten Medikamenten Kontraindikationen geben kann und Wechselwirkungen mit der bestehenden Medikation auftreten können.
3.
Einen Text auf Seriösität überprüfen
- Kombiniert der Text Heilungsversprechen und Produktwerbung? Dann ist ein besonders hohes Maß an Vorsicht geboten.
- Stutzig werden sollte man, wenn in dem Text Markennamen von Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmittel genannt werden und vielleicht sogar ein Link zu einem Kaufangebot im Text enthalten ist.
- Können aufgestellte Behauptungen mit seriösen, nachprüfbaren Quellen (klinische Studien, Leitlinien, Literaturstellen) belegt werden?
Häufig fehlen Quellenangaben gänzlich, teilweise werden aber auch unseriöse, bereits überholte oder aus dem Kontext gerissene Quellen genannt.
- Ist der Text reißerisch geschrieben, indem er beispielsweise eine Heilung garantiert und die im Text beschriebene Methode als einzige Behandlungsmöglichkeit propagiert? Besondere Vorsicht ist auch bei Sensationsberichten oder Berichten über Wunderheilungen geboten.
- Sind die Informationen nur kostenpflichtig oder mit der Verknüpfung von Verpflichtungen (Newsletter, Abo,…) abrufbar? Dies spricht für keine seriöse Webseite.
- Verfügt die Internetseits über ein Impressum? Ist die Absicht der Seite klar ersichtlich? Ist die Qualifikation des Autors genannt?
- Erfolgt in dem Text eine allgemeine Verteufelung der Schulmedizin und wird eventuell sogar die Behauptung aufgestellt, das Medikament zur Krebsbekämpfung wäre längst gefunden, aber die Pharmaindustrie hätte gar kein Interesse daran, Krebserkrankungen zu heilen? Hier findet sich eine interessante Zusammentragung von Aussagen, warum es keine sogenannte „Krebs-Verschwörung“ gibt.
4.
Unterscheidung zwischen Kausalität und Korrelation
Möglicherweise hat Herr Mustermann jeden Morgen drei Kapseln eines von ihm gewählten Nahrungsergänzungsmittels genommen und möglicherweise ist Herr Mustermann ein paar Jahre später vom Krebs geheilt.
Das beweist jedoch nicht, dass die eingenommenen Nahrungsergänzungsmittel ursächlich für seine wiedererlangte Gesundheit sind.
Hier kann die Verwechselung von Korrelation und Kausalität zu Fehlschlüssen führen. In vorgenanntem Fall wurden mögliche Drittvariablen (bspw. das Durchlaufen der schulmedizinischen Behandlung) nicht beachtet, die ebenfalls ursächlich für die Gesundung des Herrn Mustermann sein könnten. Nur weil eine Korrelation vorliegt, heißt das noch lange nicht, dass hieraus ein Kausalschluss gezogen werden kann.
Bei Wikipedia kann man sich kurz und knapp in das Thema Korrelation und Kausalzusammenhang einlesen.
5.
Bewertung von Erfahrungsberichten anderer Personen
Gerade in den sozialen Netzwerken lassen sich viele Menschen von Einzelfallberichten Anderer vorschnell leiten, ohne deren Aussagen kritisch zu hinterfragen.
Beispiel:
Frau Mustermann berichtet auf Facebook, dass ihre Tumormarker gesunken sind seit sie bittere Aprikosenkerne schluckt. „Also bei mir haben bittere Aprikosenkerne den Krebs geheilt“, berichtet sie fröhlich.
Frau Gutgläubig liest diese Aussage und ist zuversichtlich ebenfalls durch diese Methode ihre Krebserkrankung bekämpfen zu können.
Wenn man nach bitteren Aprikosenkernen im Zusammenhang mit einem möglichen positiven Effekt im Rahmen der Krebstherapie googelt, bekommt man unzählige Seiten angezeigt. Eine dieser Seiten beginnt mit der aufgestellten Behauptung „Chemiker sagen,…“ und mündet in vielen Fachbegriffen, mit denen begründet wird, warum bittere Aprikosenkerne tatsächlich bei der Krebsbekämpfung eine Rolle spielen sollen. Das gehäufte Verwenden von Fachbegriffen in diesem Text macht es einem Laien unmöglich, den Wahrheitsgehalt dieser Aussage selbst überprüfen zu können und es soll suggeriert werden, jemand, der sich so fachmännisch ausdrücken kann, verfüge doch bestimmt über ein ausgezeichnetes Fachwissen. Seriöse Quellenangaben oder überhaupt Angaben zu dem Autor dieser Seite fehlen aber, so dass es nicht möglich ist zu überprüfen, ob der Text fachlich in sich überhaupt schlüssig ist.
Eine seriöse Information über bittere Aprikosenkerne lässt sich übrigens auf den Seiten des Bundesinstituts für Risikobewertung finden, der man entnehmen kann, dass die Verwendung keinen positiven Einfluss auf eine Krebserkrankung hat, aber durch den Blausäuregehalt giftig und in hohen Dosen sogar tödlich sein kann.
weiteres Beispiel:
Frau Mustermann berichtet in einem Forum, dass ihre Mutter vor 10 Jahren an Brustkrebs erkrankt war. Seitdem ernährt sie sich ausschließlich ketogen und habe mit dieser Ernährungsweise ihre Krebserkrankung erfolgreich bekämpft.
Frau Gutgläubig möchte sich aufgrund dieser Aussage fortan ebenfalls ketogen ernähren.
Bei der Recherche im Internet findet man tatsächlich kontroverse Meinungen zu dem Thema der ketogenen Ernährung. Die Erklärung, dass Krebszellen sich von Zucker ernähren und ein Meiden von Zucker den Krebszellen somit die Möglichkeit zum Wachstum entziehen könnte, scheint auf dem ersten Blick plausibel zu wirken.
Neuere Studien kommen jedoch zu anderen Schlüssen und nach dem heutigen Stand der Wissenschaft sieht es tatsächlich so aus, als sei könnte ketogene Ernährung sogar kontraproduktiv wirken, indem sie das Tumorwachstum sogar noch verstärkt. Speziell zu diesem Thema findet man hier aktuelle und seriöse Informationen.
Zu dem vorliegenden Beispiel bleibt aber noch zu sagen, dass Einzelfallberichte keinen Hinweis auf eine tatsächliche Wirksamkeit darstellen können. Es ist dem Leser schlichtweg nicht möglich, Drittvariablen (den Einfluss des Lebensstils, etc.) überblickend berücksichtigen zu können. Dass die in den Beispielen genannten Personen ihre Krebserkrankung überwunden haben, kann genauso auf ihre sportliche Betätigung, medikamentöse Behandlung oder schlichtweg auf Zufall zurückzuführen sein.
Genauso wenig kann auch der logische Schluss gezogen werden, dass, obwohl Herr Raucherbein 80 Jahre lang Kettenraucher war und sich trotzdem noch bester Gesundheit erfreut, Rauchen nicht schädlich wäre.
Auch sollte bei Einzelfallberichten bedacht werden, dass mögliche Placeboeffekte nicht ausgeschlossen werden können.
Zum Thema Placeboeffekt findet sich hier ein interessanter Artikel.
Placeboeffekte werden in wissenschaftlichen Studien immer weiter untersucht und die Schlussfolgerungen, die hieraus gezogen werden können, sind sehr interessant. So können nachweislich wirkungslose Medikamente unter Umständen tatsächlich zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes führen. Dies kann beispielsweise in der Zuwendung begründet sein, die der Behandler dem Patienten entgegengebracht hat. Auch der Glaube, wirkungsvolle Medikamente zu erhalten, kann Menschen dazu bewegen, insgesamt gesundheitsbewusster zu leben und auf diese Weise ihre Gesundheit tatsächlich positiv zu beeinflussen.
weiteres Beispiel:
Frau Musterfrau stellt in einer Facebookgruppe die Frage, ob noch jemand vor seiner Krebserkrankung an einer Depression erkrankt gewesen sei. Sie ist sich sicher, dass ihre Krebserkrankung auf ihr psychisches Vorleiden zurückzuführen sei.
Es antworten ihr 6 Frauen, die ebenfalls kurz vor der Diagnose unter Depressionen litten.
Frau Mustermann fühlt sich bestätigt darin, dass ihre Depression ursächlich für ihre Krebserkrankung war.
Psychische Einflüsse auf eine Krebserkrankung wurden vom Krebsinformationsdienst gut beleuchet. Diesem Artikel kann man entnehmen, dass psychische Erkrankungen per se nicht zur Entstehung einer Krebserkrankung führen.
Eine mit einer Depression einhergehende Veränderung des Lebensstils könnte aber sehr wohl die Entstehung von Krebs begünstigen (möglicherweise nimmt jemand, der an einer Depression erkrankt ist, weniger häufig Vorsorgeuntersuchungen wahr oder ist sportlich weniger aktiv). Das bedeutet aber nicht, dass die psychische Erkrankung den Krebs hervorgerufen hat.
Und selbst wenn man psychische Erkrankungen zu einem Risikofaktor für Krebserkrankungen zählen würde, so könnte deswegen dennoch nicht der Schluss gezogen werden, dass die psychische Erkrankung die Krebserkrankung hervorgerufen hat.
Es ist verständlich, dass Betroffene gerne eine Erklärung für ihre Krankheit hätten und es ist frustrierend eine solche Antwort nicht bekommen zu können. Zwar gibt es nachgewiesene Einflussfaktoren, die das persönliche Krebsrisiko erhöhen können (Übergewicht, Alkohol, Rauchen,…), jedoch kann man im Einzelfall nur sehr selten sagen, ob die Erkrankung auf den Lebensstil zurückzuführen sein könnte. In den allermeisten Fällen dürfte es sich schlichtweg um Pech handeln, auch wenn diese Antwort frustrierend erscheinen mag.
Desweiteren kann zu oben genannten Beispiel gesagt werden, dass die Befragung in einer Facebookgruppe auch aus anderen Gründen nicht geeignet ist, um ein korrektes Gesamtbild zu erlangen: Es fehlt hier schlichtweg die Möglichkeit, aussagekräftige Schlüsse ziehen zu können, da die Fragestellung alleine dazu führt, dass eher die Personen antworten werden, die sich von der Frage aus einem persönlichen Bezug heraus (in dem Fall: sie litten ebenfalls unter Depressionen) angesprochen gefühlt haben.
Fazit
Das Internet bietet viele Möglichkeiten, um an Informationen zu gelangen. Es ist eine gute Informationsquelle für seriöse Informationen, aber auch falsche und mitunter gefährliche Informationen werden hier verbreitet.
Kritisches Hinschauen und Hinterfragen und die Einbeziehung ärztlichen Rates können davor schützen, falschen Informationen zu vertrauen.
Weiterführende Informationen:
Hier findet sich ein Wegweiser des Deutschen Krebsinformationsdienstes.
Eine besonders empfehlenswerte Checkliste, um gute Informationen im Internet zu erkennen, hat die Verbraucherzentrale herausgegeben.
Die Seite Patienten-Information gibt Ratschläge, um gute Informationen im Netz zu finden.
Auch auf der Seite gesundheitsinformation.de findet man einen Artikel zum Thema „Wie finde ich gute Gesundheitsinformationen im Netz?“
Die folgende Grafik enthält in Kurzform das Wesentliche des obigen Textes:
Der gesamte Text kann hier auch als PDF runtergeladen werden: