Die Angst trägt heute eine Maske mit verwirrenden Mustern
und grellen Farben. Diese lässt jeden ihrer Gesichtszüge
noch erschreckender aussehen und man könnte
meinen, dass sie genau diesen Eindruck vermitteln möchte.
Ihr Kleid besteht aus Fetzen voller zerplatzter Träume,
schlafloser Nächte und möglicher Horrorszenarien, vor
deren Fantasie jeder Hollywoodregisseur neidvoll mit ausladender
Geste seinen Hut ziehen würde.
Wenn sie bei zugezogenen Vorhängen wild und ohne jegliche
Choreografie tanzt, hört man das Klackern ihrer
Schuhe noch zwei Etagen darunter und möchte empört
mit den Fäusten gegen die Wände trommeln.
Sie singt jedes Lied mit, laut und ohne auch nur einen einzigen Ton
richtig zu treffen, aber sie nimmt dabei weder auf sich
selbst noch auf andere Rücksicht.
Und als der letzte Ton der Schallplatte verklingt und sich
die Nadel des Plattenspielers wieder anhebt, taucht das
Zimmer in eine Stille, die viel lauter und gewaltiger als das
zuvor gespielte Musikstück erscheint.
Nun ist es möglich, einen kurzen Blick auf ihr Gesicht
und ihre weit aufgerissenen Augen zu erhaschen, die über
sich selbst erschrocken zu sein scheinen.
Kurz darauf sackt sie für gewöhnlich übermüdet in sich
zusammen. Fast schutzbedürftig rollt sie ihren Körper in
einer kahlen Ecke des Raumes auf dem Holzfußboden
ein und zum ersten Mal könnte man meinen, etwas Zerbrechliches
an ihr zu erkennen.
Nach einem kurzen Moment des Wartens kann man sich
vorsichtig auf Zehenspitzen an sie heranschleichen, um
über ihren nun nicht mehr vor Anstrengung bebenden
Körper eine Decke zu legen, die während des Schlafes vor
der omnipräsenten Kälte schützen soll.
Man kann es nun wagen, die Vorhänge heimlich wieder zu öffnen, da die
durch das Fenster hereinfallenden Sonnenstrahlen ihrem
tiefen Schlaf nun nichts mehr anhaben können.
Manchmal gebe ich ihr behutsam einen Kuss auf die Stirn
und während ich ihre verschränkten Arme öffne, um das
Zepter wieder an mich zu nehmen, schnauft sie nur einmal
kurz und dreht sich im Schlaf um.